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FARBTHERAPIE

Farben in die Luft malen, in den Raum zeichnen, das Unsichtbare sichtbar weben, den Blick fesseln an komplizierte Netzwerke und geflochtene Schleierwesen. Kapillar für Kapillar verfolgen, sich mitreißen lassen von diesem bunten, stürmischen Blutstrom, mit dem Auge die langen schmalen Wesen bereisen, die kein Innen und kein Außen kennen. Eintauchen in die gesponnenen Chimären, die in sich verschmelzen, zu schwebenden Traumlandschaften aus Draht. – Das ist Cromoterapia [Farbtherapie]. – Die Rauminstallation der peruanischen Künstlerin Nani Cárdenas verwickelt uns in eine vibrierende Begegnung an der Schwelle zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit. Wie elegante Tentakel medusenhafter Meeresbewohner scheinen die filigranen Drahtgeschöpfe im Raum zu gleiten und sich des Gesetzes der Schwerkraft längst entledigt zu haben. Cárdenas nutzt dabei die Eigenschaften des Materials Draht. Die biegsamen, in sich stabilen, feinen Drahtfasern bedeuten in ihren gewobenen Skulpturen Materialität und zugleich völlige Auflösung des Massiven bis hin zu immaterieller ätherischer Wesenhaftigkeit.Signifikant ist, dass es sich bei den von ihr verwendeten Drähten um Abfallreste handelt, die bei der Herstellung von Telekommunikationsdrähten anfallen. Von der Fachbranche als Mängelware ausgemustert und für den Einsatz im Datentransport als unbrauchbar erachtet, weiß die Künstlerin diese Drähte in neue Schwingungen zu versetzen und für den „Traumtransport“ umzunutzen.In einer Welt in der für Phantasie immer weniger Zeit bleibt und in der sich der Datenverkehr zunehmend als ein zweckorientiertes, zeitökonomisches Unterfangen versteht, setzt Cárdenas mit ihrem Drahtwerk einen Kontrapunkt und schafft Raum für die Vernetzung derjenigen Gedankenimpulse, die abseits der vermeintlichen Standards zweckdienlicher Kommunikation stehen.Organische Formen, Hände, Finger, gelängte Beine, Pumpsschuhe, schemenhafte Gesichter, menschliche luftige Körper, Figuren aus spiralförmigen Drahtwirbeln aufsteigend, sich mitteilend. Ihre Sprache ist die Farbe. – Hier ein loderndes Rot im provokanten Gegensatz zu einem diabolischen Schwarz, dort hervorspringend, ein glühendes Orange im knisternden Wirrwarr mit giftigem Gelb und darauf einwirkend kühlendes Blau, kokettierend mit lebendigem Grün. – Die Künstlerin lässt in Cromoterapia Vorstellungen von traumhaften Wesen interagieren, die das Grenzgebiet zwischen realem Raum und Phantasie beseelen, lässt diese tanzen und „Farbe bekennen“.Zart und doch den Raum beherrschend, transparent aber nicht unsichtbar, scheinbar schwerelos und doch körperhaft, Zeichnungen aus Draht und gleichsam Drahtskulpturen.Verwebung von Wirklichkeit und Traum … zum Tagtraum.
Text: Diego Otero
Translated: Antje Ruwisch

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